Sicherlich sind die natürlichen, ursprünglichen Beziehungen von Seele zu Seele Beziehungen der Schönheit. Die Schönheit ist die einzige Sprache unserer Seelen.

(Maurice Maeterlinck, 1862-1949)

An einem ganz gewöhnlichen Valentinstag

Schöne und kurze Liebesgeschichte. Lernt man sich an einem Valentinstag kennen, ist das schon besonders und wer weiss, vielleicht entsteht daraus eine grosse Sache.




Gedicht des Monats

An einem ganz gewöhnlichen Valentinstag

Es war das erste Mal, dass ich an einem Valentinstag frei hatte. Kurzerhand beschloss ich in die Stadt zu fahren und ein wenig rumzuhängen. Was selten genug vorkam. Schaufenster gucken, kleine Buchläden ausfindig machen, Kleider probieren, vielleicht etwas kaufen, vielleicht auch nicht. Im Café sitzen, Leute gucken, staunen. Kann man als Landei in der Stadt noch. Vorausgesetzt, man geht nur selten hin. Und ich gehe nur selten hin.

Der Tag wollte sich schon neigen als ich ein Kinoplakat sah und schwupps schon in den mufigen Sesseln hockte. Wieder mal Kino, wie früher und süssen Liebesfilm gucken. Geht auch alleine. Kinos gab es leider bei uns auf dem Land schon lange keine mehr. Früher schon. Aber, früher war ja auch alles besser.

Der Film war nicht wirklich spannend, aber vielleicht gerade deswegen konnte ich entspannen. Jedenfalls bin ich rechtzeitig zum Happy End aufgewacht, und das hat mein Herz irgendwie aufgewühlt. So kam es, dass ich mit leicht geröteten Augen aus dem Kino stolperte, in Gedanken an einem ganz anderen Ort. Ich sah den Radfahrer nicht und päng, lag ich am Boden. Arschloch, wollte ich gerade sagen, als mich zwei tiefblaue Augen fragten, ob ich o.k. sei.

"Ja, ja, alles o.k.", sagte ich etwas mürrisch und stand umständlich wieder auf die Beine. "Du blutest", meinte er und zeigte auf meinen Unterarm. Eine Schürfwunde zog sich über die Hand bis zum Ellenbogen. "Nicht der Rede wert", meinte ich tapfer, obwohl es ganz schön brannte und weh tat.

"Komm, das müssen wir waschen und desinfizieren. Ich wohne gleich um die Ecke."

Und so lief ich neben einem fremden Mann in eine fremde Wohnung, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich tat. Ich fühlte mich benommen:

"Tut mir leid, ich habe dich zu spät gesehen", sagte er in die Stille hinein.

Ich schaute kurz zur Seite und meinte: "Mir tut es auch leid."

Ganz unschuldig war ich ja nicht, so in Gedanken wie ich war. Die Szene im Film hatte mich an ein eigenes Happy-End erinnert. Es lag lange zurück. Ich war noch jung und vor allem blind vor Liebe. Alles war schön, nur war ich nicht die einzige Frau in seinem Leben, wie sich später per Zufall herausstellen sollte.



Wir liefen eine Treppe hoch und eine schöne helle Wohnung öffnete sich meinen Augen. Schlicht und natürlich ging es durch meinen Kopf.

Er wies mich auf einen Stuhl in der Küche, nahm eine Pfanne aus einem Schrank, goss Wasser hinein und setzte es auf den Herd.

"Kann ich dir etwas anbieten, Kaffee, Tee, Wasser?"
"Em, ja, vielleicht ein Glas Wasser, danke."

Und schon stand ein grosses Glas Wasser auf dem Tisch vor mir. Mein Mund war völlig trocken, und ich trank das Glas in einem Zug aus.

"Alles in Ordnung?" fragte er besorgt.

"Ja, alles in Ordnung."

Von dem Gebrumme in meinem Kopf sagte ich nichts. Das Wasser kochte, er nahm es vom Herd, goss Salz hinein, rührte um und liess es stehen. Dann holte er irgendwo ein Tuch, tunkte es in dieses Salzwasser und reinigte damit meine Schürfwunde. Ich zog den Arm zurück, weil es brannte.

"Altes Hausmittelchen", meinte er. "Es brennt ein bisschen, wirkt aber Wunder."

Danach legte er einen Verband um meine Hand und den Unterarm:

"Gut so oder drückt es?"

Mit einigen Hand- und Armbewegungen prüfte ich sein Werk und meinte lächelnd:

"Perfekt!"

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden. Er machte Licht. Eigentlich wollte ich vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein, da ich nachts nur ungern mit dem Auto unterwegs war.

"Ja, ich muss dann mal wieder. Mein Auto steht am Stadtrand, und ich sollte nach Hause".

"Bist du sicher, dass du fahren willst?" fragte er besorgt.

Seine Stirn kräuselte sich als er mich prüfend beobachtete. Das war mir irgendwie peinlich.

"Alles in Ordnung", sagte ich und stand auf. Meine Knie wurden weich und so plumpste ich gleich wieder auf den Stuhl zurück. Mir war leicht schwindelig.

"Wenn du willst, kannst du dich noch ein bisschen hinlegen." Er zeigte auf das Sofa in der Ecke am Fenster.

Das Angebot nahm ich jetzt doch ganz gerne an. Er holte eine Wolldecke und legte sie über mich. Als er sich mehrmals versichert hatte, dass ich gut gebettet war, verschwand er im Bad. Ich hörte noch die Dusche und dann war ich weg.

Nicht nur wegen dem Sturz schlief ich sofort ein, sondern weil ich einfach wahnsinnig müde war. Die letzten Jahre waren anstrengend, und ich schlief seit langem kaum mehr als vier Stunden. Der ungewohnte Stadtbummel mit den vielen Leuten, der Hektik, dem aggressivem Licht und dem ständigen Schall von Musik und Lärm überall, tat das seinige dazu.

Irgendwann in den frühen Morgenstunden erwachte ich und musste aufs Klo. Es war ruhig, und ich getraute mich kaum, mich zu bewegen. Zum Glück hatte er eine kleine Lampe aufgestellt, so dass ich den Weg sofort fand. Wie aufmerksam, dachte ich.

Auf Zehenspitzen trippelte ich ins Bad. Dort blieb ich eine ganze Weile, versuchte mich zurechtzubiegen und die Gedanken zu ordnen. Danach holte ich meine Jacke und wollte zur Tür.

"Alles in Ordnung?" flüsterte es hinter mir.

Ich drehte mich um und sah ihn im Türrahmen stehen, in Shorts und nacktem Oberkörper.

"Ja, alles in Ordnung, vielen Dank für alles. Ich muss um acht im Büro sein und sollte jetzt besser gehen."

Er kam auf mich zu und meinte, ich könne mich vielleicht krank schreiben lassen. Und dann fuhr er einfach mit seiner Hand über mein Gesicht und küsste mich ohne zu fragen und überhaupt, wusste ich noch nicht mal seinen Namen.

"Gerade sehr ungünstig, tut mir leid", hauchte ich in sein Ohr und befreite mich zärtlich aus seiner wärmenden Anziehungskraft. Das war zwar nicht gelogen, aber nur die halbe Wahrheit.



Ich rannte die Treppe hinunter und auf die Strasse. Die Richtung wusste ich noch nicht, einfach weg. Bald wurde es hell, und so fuhr ich direkt ins Büro. Zum Glück war noch niemand da, so konnte ich in Ruhe einige Dinge erledigen. Als ich in meiner Handtasche nach einem Schokoriegel suchte, fand ich einen Zettel: Max, hiess es in schwungvoller Schrift und eine Handynummer stand daneben. Mein Herz hüpfte, und ich lächelte vor mich hin.

"Du bist aber früh heute", schnalzte es hinter mir.

"Mein Gott, kannst du nicht anklopfen?", sagte ich empört.

Arme umgriffen mich, grabschten an meine Brust. Mein Chef, mit dem ich seit Jahren ein Verhältnis hatte. Ein Verhältnis, das ich längst hätte lösen sollen, aber zu feige war, weil ich die gut bezahlte Arbeit gefährdet sah. Stress und schlaflose Nächte zeigten längst Spuren. Mit dem ersten freien Tag gestern suchte ich Distanz.

Und diese reichte. Obwohl ich in der Vergangenheit oft zögerlich war und nicht sofort Entscheidungen treffen konnte, jetzt gerade wusste ich genau, was ich wollte:

"Ich hole nur ein paar Sachen und gehe gleich wieder nach Hause", sagte ich. Dabei löste ich mich von ihm und zeigte auf meinen Arm:

"Oh, was ist passiert, meine Süsse?"

"Kleiner Sturz, vielleicht eine leichte Hirnerschütterung oder gar eine Blutvergiftung. Ich werde es abklären."

"Ja, tu das", meinte er und drehte sich um.

Ich atmete tief durch. Meine Übertreibungen wirkten. Krankheiten und Unpässlichkeiten, so wollte er mich nicht sehen. Als er in seinem Büro verschwand, packte ich meine Sachen und ging.

Mein Hausarzt wollte mich längst krank schreiben. Seit Jahren schleppte ich mich durch, war müde, unmotiviert, hatte Schlafprobleme und Ängste. Jetzt liess ich es zu. Noch am selben Tag machte ich einen Termin und traf einige Vorbereitungen für mein neues Leben.

Diese Vorbereitungen bin ich in der Vergangenheit oft genug im Kopf durchgegangen. Jetzt ging alles schnell. Als ich das Arztzeugnis hatte, schickte ich es mit der Kündigung an meinen Chef. Die unzähligen Überstunden gleich mitverrechnet, so dass ich keine einzige Stunde mehr antreten musste.

Der Chef habe getobt, sagte mir eine Kollegin. Die Türe hat er mir einrennen wollen. Das nützte aber nichts. Die Wohnung hatte ich meiner Nichte übergeben. Sie wohnte nach einem Auslandaufenthalt bei ihren Eltern und suchte dringend eine Wohnung.

Ich liess mir eine Kur verschreiben, reiste an die Nordsee und wollte erst mal gesund werden. Einfach nur Ruhe, lange Spaziergänge, Ballast abwerfen, über mein Leben nachdenken und mich neu erfinden.

Bevor ich auf die Reise ging, suchte ich die Adresse von Max. Besuchen wollte ich ihn nicht. Zuerst musste ich mit mir ins Reine kommen. Zudem, ich kannte ihn ja gar nicht, und vielleicht hatte er mich längst vergessen. Diese kurze Begegnung bedeutete ihm sicher nichts. Ein kleiner Flirt, ein Kuss, nichts weiter.

Als ich meiner Nicht davon erzählte, meinte sie lächelnd: "So habe ich dich noch gar nie gesehen. Dich hats aber ganz schön erwischt."

In der Tat ist mir diese Begegnung und dieser Kuss tief ins Innere gefahren, und ich wusste, dass ich davon gerne mehr gehabt hätte. Ich wollte diesen Mann kennenlernen. Er interessierte mich. Alles, was ich in an diesem Tag, in diesen wenigen Stunden von ihm wahrgenommen habe, faszinierte mich.

Die Kur schlug gut an, ich erholte mich rasch und nach einigen Tagen fühlte ich mich so frei, wie nie. Ich lernte nette Leute kennen und knüpfte Kontakte. Die Zukunft schien ganz nah.

Es gab keinen einzigen Tag an dem ich nicht an Max dachte. Ich wollte ihm aber keine billige Sms senden. Es musste schon etwas Persönliches sein. In einer kleinen Boutique fand ich eine schöne Tasse mit der Aufschrift: Thank you. Das war genau das richtige. Und auf jeden Fall einen handgeschriebenen Brief. Keinen langen, nur ein paar Worte in denen ich erklärte, wieso ich mich erst jetzt melde.

Lieber Max
Ich möchte mich nochmals bei dir für die liebevolle Wundpflege bedanken und das Sofa und den Kuss. Der mir übrigens tief eingefahren ist. Die Umstände waren zu dem Zeitpunkt noch schwierig, deshalb habe ich mich nicht sofort gemeldet. Aber, ich denke an dich. Jeden Tag, jede Nacht...
Kuss, Marie


Meine Kuradresse und Handynummer notierte ich ebenfalls. Den Brief hielt ich noch lange in der Hand, danach gings aber mit dem Paket zielstrebig zur Post.

Einige Tage später klingelte mein Handy und auf der Sms stand: Ich stehe vor deiner Tür, Max...

(© Marie A.H., 2. Febr. 2020)

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